Mainpost 16.06.2021
Gernach
Gernacher Blasmusik: Es wurde schon vor über 150 Jahren musiziert
Schon lange Zeit vor der Vereinsgründung der Musikkapelle gab es Musikanten. Die Noten schrieben sie Hand ab und probten in der Küche. Trotz des Behelfs hatten alle Spaß.
Historische Zeugnisse belegen, dass in Gernach schon vor mehr als 150 Jahren Musik gemacht wurde: Im Inventar der Kirchenstiftung des Jahres 1862 sind "zwei Violinen, eine Altviola, zwei Pauken, drei Trompeten, zwei Hörner, eine Zugposaune und eine Es-Klarinette" verzeichnet.
Der Gemeinderat von Gernach hatte am 11. Juni 1909 beschlossen, dass die Musikanten auf Antrag 20 Reichsmark für ihr Musizieren erhielten. "Allerdings mussten sie sich verpflichten, auch die außerordentlichen Prozessionen zum Friedhof zu begleiten", hat Hugo Hetterich in seinem Buch "Gernacher Geschichte und Geschichten" herausgefunden.
In der Festschrift der Musikkapelle Gernach zum Kreismusikfest des Nordbayerischen Musikbundes ist das Musikleben in Gernach von der Zeit zwischen den Weltkriegen beschrieben. 1992 feierte die Musikkapelle Gernach ihr zehnjähriges Bestehen, daher richtete sie das Kreismusikfest aus. Am Festzug nahmen damals 36 Musikkapellen teil.
Musiker begleiteten Prozessionen und Wallfahrten
Vorstandsmitglieder setzten sich damals zusammen und machten sich mit Geduld und Ausdauer auf die Suche nach Dokumenten und Bildern aus der Zeit vor der Vereinsgründung. "Wir saßen nächtelang zusammen, um die Festschrift zu erstellen", erinnert sich Alfred Glos, der schon seit der Vereinsgründung Dirigent der Musikkapelle Gernach ist. So ist dokumentiert, dass es auch in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen in Gernach Musikanten gab. Sie begleiteten den Gesang der Gläubigen bei Prozessionen und Wallfahrten.
Auf einem Bild, aufgenommen im Jahr 1938, sind Musikanten mit ihren Instrumenten zu sehen – ein Beleg dafür, dass in dieser Zeit die Gernacher Musikanten schon mit guter Besetzung spielten. Bis in den Herbst 1942 kam die Blasmusik in Gernach wohl ganz zum Erliegen, denn viele der Musikanten mussten einrücken.
"Einem musikbegeisterten Priester, Pater Petrus, ist es zu verdanken, dass sich wieder junge Musiker zusammenfanden. Sie trafen sich auf seine Anregung hin im Herbst 1942 (...). Im Februar 1943, bei der Ewigen Anbetung, war ihr erster Auftritt. Die Leitung lag zu dieser Zeit bei Josef Dresch", ist in der Festschrift festgehalten.
Musik half über Schrecken des Krieges hinweg
Hugo Hetterich, Bruno Hofstetter und Kurt Pohli begannen in den 50er Jahren mit dem Musizieren und spielten noch lange Zeit auch nach der Vereinsgründung bei den Gernacher Musikanten mit. Hugo Hetterich und Bruno Hofstetter spielten Klarinette, Kurt Pohli Trompete. "Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie fleißig Kurt übte", berichtet Bruno Hofstetter. Die beiden wohnten nicht weit voneinander entfernt. Die drei erinnern sich gerne an diese Zeit, als nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs die Freude am Musizieren wieder wuchs.
Willkommen war Heinz Laarz, der 1946 aus der Gefangenschaft nach Gernach kam. Er spielte Trompete, übernahm auch zeitweise die Leitung der Kapelle. Gespielt wurde, wie früher, meist nur bei kirchlichen Anlässen, so etwa bei den Bittprozessionen und bei der Wallfahrt nach Dettelbach. Da war das Spielen manchmal gar nicht so einfach, da die Wege an einigen Stellen tiefe Fahrspuren aufwiesen.
An Silvester spielten sie vor jedem Haus ein oder zwei Stücke. "Gegen Ende wurde der Klang immer vielfältiger", erinnert sich Hugo Hetterich lächelnd. Das Erlernen der Instrumente erforderte damals viel Eigeninitiative. Entweder "erbte" man das Instrument von seinem Vater, und erhielt von ihm eine Einweisung in das Spielen. Oder man fing von sich aus mit dem Erlernen eines Instrumentes an – wie Kurt Pohli. "Mir hat das Spielen einfach Spaß gemacht", erinnert er sich.
Gedruckte Noten waren Mangelware
Manchmal kaufte die Oma das Instrument für den Enkel, meist eine Trompete. Bei vielen hielt die Begeisterung aber nicht lange an, und sie gaben das Spielen wieder auf. Gedruckte Noten gab es damals kaum: Die Noten wurden per Hand abgeschrieben und immer mit nach Hause genommen.
Einen Dirigenten im heutigen Sinn gab es in der ersten Zeit nicht. Man habe bei Vinzenz Berchtold geprobt, auch in der Küche von Ludwig Pohli, wo es mit acht Musikanten schon eng wurde. Später fanden die Proben im Jugendheim statt. Man durfte schon recht bald bei den Auftritten mitspielen. "Wenn es zu schwer war, hat man einfach eine Pause gemacht", erinnert sich Hugo Hetterich. Unvergesslich ist dem Ehepaar Hofstetter das Ständchen, das ihnen die Musikanten zu ihrer Hochzeit spielten – vor 63 Jahren.